Allgemeine Definition der Magie aus dem Jahre 1897:
"Die vermeintliche Kunst durch geheimnisvolle Mittel übernatürliche Wirkungen hervorzubringen im Allgemeinen gleich bedeutend mit Zauberei. Den Namen Magie erhielt bei den Griechen und Römern namentlich jener philosophische und theurgische Formen annehmende Zauber, welcher von den babylonischen Magiern zu den Medern, Persern und Ägyptern gekommen war und sich von da über Orient und Okzident verbreitet hatte. Die Entzifferung der Keischriftenbibliothek von Ninive hat gezeigt, dass die chaldäischen Magier nicht mit Unrecht bei den Alten als Urheber der Magie galten, und aus Bruchstücken des ältesten Zauberbuchs der Welt geht hervor, dass fast alle Einzelheiten unseres Gelehrten, d.h. durch die alltägliche Literatur verbreiteten Zauberglaubens chaldäischen oder vielmehr attadischen Ursprungs sind. In ihren allgemeinen Grundzügen gehört die Magie den niedrigsten Stufen der Zivilisation überhaupt an. Auf niederer Stufe sieht der unwissende Mensch die ganze Natur für durch Geister belebt an und glaubt seine in menschlicher Art gedachten Götter und Formeln und Zeremonien, durch eine besondere Lebensweise gewinnen, überwinden und sich dienstbar machen zu können.
Je tiefer der allgemeine Bildungszustand war, um so leichter konnten einzelne Personen sogenannte Schamanen oder Medizinmänner, sich den Ruf verschaffen, Macht und Einfluss auf die übernatürlichen Wesen auszuüben und andere Menschen entweder den Dämonen preiszugeben, oder sie vor ihren Angriffen schützen zu können. Die gesamten niederen Kulte bewegen sich in Vorstellungen, die man eher als Zaubersysteme denn als Religionen bezeichnen möchte. Bedenkt man, dass der Fetischismus, gewisse Zeremonien, die Vorstellungen von Totem und Tabu, von der Kraft eingeritzter Zeichen und der Herbeiführung von Krankheit und Tod durch Zauberei das ganze Sinnen der Naturvölker ausfüllen, so ist es nicht viel gesagt, wenn man die Magie als niederste Religionsform selbst bezeichnet. Daher fand sich auch vielfach bei höher stehenden Nationen, deren Bildung aber noch nicht so weit vorgeschritten ist, um den Glauben an die Zauberei selbst zu zerstören, die feste Überzeugung, dass das magische Können den niedersten Stämmen des Landes, z.B. noch heute den Zigeunern, angehöre, obwohl sie in der Kultur zurückgeblieben sind. So war im Mittelalter der Name Finne gleichbedeutend mit Zauberer, während der Finne selbst sich vor den magischen Künsten der Lappen fürchtet, und in den längst vergangenen Zeiten nannten in Indien die herrschenden Arier die rohen Eingeborenen des Landes "von magischen Kräften erfüllt", obwohl von anderen Völkern den indischen Brahmanen namentlich das Heilen von Krankheiten vermittelst zauberkräftiger Sprüche, das Beschwören von Schlangen, die Kunst, sich unsichtbar zu machen zugeschrieben wurden. Bei den Persern waren Totenbeschwörung, Schlüssel und Wasserweissagungen heimisch. Schon die Thaldäer haben die Astrologie in den Dienst der Magier gezogen, und von ihnen kam letztere mit dem Sternenkultus zu den syrischen und phönischen Volksstämmen, endlich zu Griechen und Römern, die sie den Arabern überlieferten. Bei den Juden finden wir insbesondere den Glauben an Beschwörung der Toten und der unsauberen Geister, welche Besessenheit erzeugen. Als der größte und weiseste Zauberer erscheint Salamo, dem nach der Sage namentlich die Macht über viele Geister verliehen war. In Kolchis und Byrhgien stand die Magie im innisgsten Zusammenhang mit dem religiösen Kultus und der Kenntnis stark wirkender Arzneistoffe. In Ägypten trieb man Astrologie und stellte die Naivität, und da das Land besonders reich an so genannten Zauberkräften war, war auch die Medizin mit der Magie eng verbunden. Vieles aus der orientalischen Magie so zu den Hellenen übergegangen. Gleichwohl sind schon bei Homer und in der Zeit bis zu den Perserkriegen zahlreiche hierher gehörige Erscheinungen zu finden, die nicht aus der Fremde herrühren, so: das Besprechen des Blutes, der Wundertrank der Helena, der Zaubergürtel der Aphrodite, der Zauberstab des Hermes, die Verwandlung des Odysseus und seiner Gefährten in Schweine, Löwen usw., der Gegenzauber durch das Kraut Moln, und auch bei den Griechen hing die Magie aufs Innigste mit der Religion zusammen, wie dies besonders bei dem alten velasgischen Naturkultus und den Orakeln mit ihren Höhlen, Erddämpfen, Quellen, geheimnisvoll rauschenden Bächen usw. hervortritt.
Selbst die Philosophie blieb nicht frei von zauberhaften Anschauungen und Elementen. Neben Orpheus trit Pythagoras als Zauberer auf und die Betrachtung der Zahl als kosmischer Potenz herrschte in so genannten, "heiligen Zahlen" weite Gebiete der Belehrsamkeit. Bei Platon erscheinen die Dämonen als höhere, mächtigere Mittelwesen, von denen Zauberwirkungen abgeleitet werden. Aus diesen Elementen bildete sich die theurgische Magie der Neuplatoniker, nach deren Ansicht die Seele ein Ausfluss des Absoluten und daher mit unendlicher Wirkungskraft ausgerüstet sei. Das Sinnenleben galt als ein Zustand der Bezauberung, die Körperwelt als ein Komplex sysmpathischer und antipatischer Beziehungen. Durch strenge Askese und genaue Befolgung der religiösen Zeremonien tritt die Seele mit den guten Göttern in Verbindung, ja sie wird eins mit dem Absoluten Die Neuplatoniker unterschieden nun Magie und Goetie ("Zauberei") und betrachteten ihre magische Tätigkeit nicht als Zauberei, obwohl sie ein gutes Teil der althergebrachten Methoden und Zaubermittel anẃendeten. In Rom wo namentlich das Divinationswesen mit dem Staatsorganismus eng verbunden war, fand die ausländische Magie früh schon Eingang und Verbreitung, obwohl von Zeit zu Zeit Editte dagegen erlassen wurden. Nur die Astrologie welche Planetenbeobachtung voraussetzte, blieb in Rom ein fremdes Element. Im Mittelalter unterschied man höhere und niedere, weiße und schwarze Magie, je nach dem beabsichtigten Zauber durch himmlische oder irdische Kräfte zu erreichen, gute oder böse Geister dazu bewegen zu müssen glaubte. Von großem Glaube an den Teufel und die ihm untergebenen Geister, und die wichtigste und traurigste Folge dieses Wahnes war der Glaube an die Teufelsbündnisse. Vieles was man früher in das Gebiet der geheimen Wissenschaften und der Magie zog, namentlich die persönlichen Einwirkungen, magische Heilungen, Visionen usw., hat jetzt durch die genauere Erkenntnis der Natur und ihrer Gesetzte, namentlich Hypnotismus der Suggestion einen Teil seines unglaublichen und wunderbaren Wesens verloren. Dazu gehört auch alles dasjenige was in den Bereich der sympathetischen Kuren (vergleichbar mit magnetischen Kuren) und der Macht der Einblidungskraft (Autosuggestion) fällt. Unsererseits hat aber das willkürliche hervorrufen von Geistererscheinungen und Offenbarungen aus dem Jenseits mittels begabter Personen (Medien), Spiritualismus oder Spiritismus wieder Einfluss erlangt. Unter natürlicher Magie versteht man heutzutage die Kunst und Geschicklichkeit, durch physikalische, mechanische und chemische Mittel Wirkungen hervorzubringen, welche den Unterrichteten in Erstaunen setzten."
Quelle: Meyers Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, 1897
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